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Das Fussballjahr 2012 - Ein vorläufiger Rückblick, Teil 2


Ein persönlicher Kommentar von wohlnixx

Angela Merkel ist eine klassische Führungspersönlichkeit des 21.Jahrhunderts. Wenig handeln, kaum entscheiden, Dinge aussitzen, bis sie sich von selbst erledigen. Mit solchen Typen habe ich es Tag für Tag zu tun. Und wenn sich dann eine dieser Starkräfte mal dazu durchringt, etwas in Bewegung zu setzen, heisst es meist: "Da müssen wir mal was tun." Meine Gegenfrage lautet dann immer: "Wer ist denn wir?", worauf ich selten eine Antwort bekomme und damit klar ist, dass "wir" ich bin. Ich bekomme das so oft zu hören, dass es mitunter vorkommt, dass ich bei Aldi auf das freundliche "Ich wünsche ihnen ein schönes Wochenende" der Kassiererin mit "Wünschen wir ihnen auch" antworte. Aber ich schweife ab. Zurück zur Taktik von Frau Dr.Merkel. Im Fussball setzt sich nämlich ein ähnlicher Stil durch. Wenig für das Spiel tun, abwarten, was der Gegner macht und ob vorne vielleicht durch Zufall ein Tor fällt. Angela hat das eine zweite Amtszeit beschert, Chelsea den Gewinn der Champions-League.
Hoffentlich besinnt sich der Fussballgott bei der EM endlich mal auf das alte römische Sprichwort "fors iuvat audentes" - "Das Glück hilft den Wagemutigen". Aber wahrscheinlich sind ihm die Wagemutigen so wurscht wie den Japanern das Walfangverbot. Ich persönlich halte den viel zitierten Fussballgott ja sowieso für Bacchus, den ehemaligen römischen Gott des Weines. Warum ehemalig? Naja, im Amt sind die römischen Götter ja nicht mehr. Was die jetzt so treiben - keine Ahnung. Wahrscheinlich alle arbeitslos. Als antiker Gott entspricht man eben nicht vielen Anforderungsprofilen der modernen Wirtschaft. Blitze schleudern oder als Stier, Adler oder Mantelpavian vor naiven Jungfrauen auf dicke Hose machen ist nicht mehr so gefragt wie noch vor 2000 Jahren. Weingott Bacchus hat als Einziger ein neues Aufgabengebiet gefunden. Nicht schlecht für einen dauerbreiten Säufer. Aber es kann ja auch nur einem alkoholgeschwängerten Geist in den Sinn kommen, sich zum Gott eines Sports aufzuschwingen. Eine verrückt-geniale Idee, die ihresgleichen sucht. Oder hat jemand schonmal was von einem Basketball- oder Synchronschwimmengott gehört?
Das Problem mit den Göttern ist allerdings, dass sie extrem launisch sind. Der Fussballgott macht da keine Ausnahme. Das bekamen zum Ende der Vorrunde vor allem die Ukrainer zu spüren, als er das komplette Schiedsrichtergespann um Frontmann Kassai für eine Sekunde mit Blindheit schlug und dem Mitgastgeber das verdiente 1:1 gegen England versagte. Jetzt schreien alle wieder nach der Torkamera, ich eingeschlossen. Eine Art Lichtschranke fände ich auch nicht schlecht. Die löst dann sofort eine automatische Ansage über die Stadionlautsprecher aus, wenn der Ball die Torlinie in vollem Umfang überschritten hat. Die Ansage ist an den Schiedsrichter gerichtet und könnte wie folgt lauten: "Der war drin, du Blinder!"
Beide Gastgeber scheiden also aus. Schade. Und unnötig. Beiden hat ein wenig das Glück gefehlt. Womit wir wieder beim Fussballgott wären. Der sitzt in seinem Tempel und lacht sich darüber kaputt, was er mit der Gruppe A angestellt hat. Tschechien und Griechenland im Viertelfinale. Ich hatte auf die anderen beiden gesetzt. Aber wahrscheinlich hat keiner aus dieser Gruppe etwas im Viertelfinale zu suchen. Die Tschechen halten zumindest in der 1.Hälfte gut mit und machen den Portugiesen das Leben schwer. Die wissen nicht so recht, was sie tun sollen, und bedienen sich immer wieder ihrer magischen Wunderwaffe Ronaldo. Sonst ist das Arsenal ja auch eher dürftig bestückt. Aber der sympathische Star von Real Madrid, der bei seinen Freistössen immer wieder dazu einlädt, sich von hinten an ihn heran zu schleichen und ihm mit voller Wucht in die Kronjuwelen zu treten, macht trotz bester Chancen das Tor nicht. Nach der Pause haben die Tschechen dann aber gar nichts mehr zu melden, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Ronaldo dann doch das entscheidende 1:0 macht. Die Tschechen sind platt und kommen nach dem Gegentreffer kaum noch an den Ball. Die Schlussoffensive fällt somit flach. Portugal im Halbfinale. Da wollen wir auch hin.
Freitagabend treffe ich wieder auf die Horde Weintrinker vom Champions-League-Finale. Doch diesmal bin ich vorbereitet. Oder besser gesagt mein Schwager. Der rückt dem Weintrinkergesindel mit einer geladenen Kühlbox Bitburger zu Leibe. Mit dem Mann kann man arbeiten. Es wird gegrillt. Wie üblich, wenn ich im Saarland zu Gast bin. Das können sie hier auch gut. Okay, heute ist ein Lavasteingrill im Einsatz, das ist nicht ganz mein Ding. Ich finde es schlichtweg unsportlich, dem Grillgut mit etwas anderem zu Leibe zu rücken als Holzkohle. Aber das ist eine philosophische Frage, für die heut Abend keinen Platz ist. Heute geht es um Fussballphilosophien. Wobei ich bei den Griechen - immerhin die Erfinder der Philosophie - eine solche nicht erkennen kann. Aber gut, was will man auch machen, wenn die fussballerischen Möglichkeiten gelinde gesagt stark limitiert sind? Die Deutschen machen alles richtig, drehen sofort voll auf und lassen die Griechen erst gar nicht ihren berüchtigten Beton Marke "Spielverderber" anmischen. Nach fünf Minuten muss es eigentlich schon 2:0 stehen, nach zwanzig dann gefühlte 5:0. Und als alle schon das hässliche Gefühl beschleicht, mit einem hässlichen 0:0 in die Pause gehen zu müssen, fasst sich unser Kapitän ein Herz und knüppelt die Kirsche aus 18 Metern in die Maschen - geht doch! Erleichterung in der Pause. Schockstarre nach der Pause. Ungläubige Blicke. 1:1?! Ein Kontertor?! Das schlägt ja wohl dem Fass den Zacken ins Gesicht! Aber die Deutschen bleiben cool, es kommt keine Hektik auf, und das zahlt sich schnell aus. Nur sechs Minuten nach dem Ausgleich zimmert Khedira volley drauf und trifft zum 2:1. In den darauf folgenden Minuten wird klar, wer hier der Chef im Ring ist. Klose und Reus erhöhen auf 4:1. Soviel Tore hat Griechenland zuletzt im Jahre 480 vor Christus kassiert, als es bei Salamis auf die persische Nationalmannschaft unter Führung von Xerxes I. traf. Und die Partie haben die Griechen am Ende sogar noch gewonnen. Heute gibt es nur noch eine kleine Ergebniskorrektur. Handelfmeter in der 89.Minute. Ich weiß zwar nicht, wo der Boateng mit seinem Arm hin soll, aber sei es drum. Endergebnis 4:2. Der Bundestrainer bringt es auf den Punkt: Griechenland macht aus einer Chance zwei Tore. Was soll's, das ist allerhöchstens für "Die 0 muss stehen"-Fanatiker ein Ärgernis. Pflicht erfüllt, Halbfinale erreicht. Alles andere wäre ja auch ein schlechter Scherz gewesen. Der Abend endet irgendwo zwischen der 12. und der 14.Flasche Bit. Hart an der Grenze dessen, was man mit 40+ verpacken kann, ohne den nächsten Tag im Sauerstoffzelt verbringen zu müssen.
Zum Glück verschonen Spanien und Frankreich mich am darauf folgenden Abend mit einem nervenaufreibenden Spiel. Die Franzosen können nicht, und die Spanier wollen nicht. Nach dem frühen 1:0 tun die Iberer nur noch das nötigste, um den nördlichen Nachbarn vom eigenen Strafraum fern zu halten. Dabei wirken sie seltsam lustlos und uninspiriert. Zumindest während der Minuten, die ich verfolge. Das Spiel ist mir nämlich zu langweilig, als das ich mir die kompletten 90 Minuten antuen kann. Zum Glück ist zwischen Italien und England schon mehr Feuer drin. Und der Fussballgott hat wieder einen seiner grossen Auftritte. Spätestens in der 2.Hälfte muss Italien eigentlich vorne liegen, das Tor will aber einfach nicht fallen. Spochtkamerad Balotelli vergibt Chancen für zwei Viertelfinals, aber was soll er auch machen, wenn der Fussballgott ihn und seine Kollegen auf dem Kiecker hat? Aber das sieht nur so aus. Denn eigentlich verfolgt Bacchus - mal wieder randvoll bis unter's Dach - ein ganz anderes Ziel. Er macht sich einen Spass daraus, den Engländern vorzugaukeln, sie hätten tatsächlich eine Chance auf das Halbfinale. Genau wie die FDP, die vor jeder Wahl die Aussicht auf Steuersenkungen verspricht. Und genau wie die Wähler auf die Liberalen reinfallen, so fallen die Engländer auf die Einflüsterungen des Fussballgottes rein und retten sich ins Elfmeterschiessen. Nochmal zum langsamen mitlesen: "Die Engländer" - Pause, bitte nachdenken - "retten sich" - Nicht lachen, nachdenken! - "ins Elfmeterschiessen" - okay, lacht ruhig, was anderes ist mir auch nicht eingefallen. Was haben die Jungs von der Insel denn geglaubt, was beim Elferkicken dolles passiert? Genau, das gleiche wie immer. Sie vergeigen es. Jetzt haben wir den Gegner, den Freunde und Verwandte nicht haben wollten. Alle wollten England, jetzt gibt's italienisch. Hab ich mir von vornherein gewünscht. Nicht, weil es einfacher wird. Sondern weil da noch ein paar Rechnungen offen sind, die bereits die zweite Mahnstufe erreicht haben und jetzt endlich mal bezahlt werden müssen. Nicht alle auf einmal. Fangen wir mit der vom Halbfinale der WM 2006 an. In Italien heisst es, man habe die beste Mannschaft seit 2006. Ich sage, wir haben die beste Elf seit der Gründung der Bundesrepublik. Und die braucht einen Titel. Europameister 2012. Das könnte dem Jahr aus meiner Sicht die entscheidende Wende geben. Aber soweit sind wir noch nicht. Eins nach dem anderen. Erstmal Italien. Und dann sehen wir weiter. Auch die Spanier haben noch was ausstehen. Aber Ronaldo im Finale wäre auch schön. Vielleicht findet sich dann ja jemand, der dem portugiesischen Cowboy bei einem seiner Freistösse von hinten ordentlich in die Weichteile tritt. Muss aber nicht sein. Ein einfacher Sieg würde mir da auch reichen.

Fortsetzung folgt.